Gelungenes Zeitzeugengespräch mit Dr. Leon Weintraub

Dr. Leon Weintraub

Am Mittwoch, dem 09. September 2020 um 19.00 Uhr fand in der Adolf-Reichwein-Halle in Rosbach v.d. Höhe ein Zeitzeugengespräch statt: Der 94-jährige Dr. Leon Weintraub, der heute in Stockholm lebt, hat es sich zum Ziel gesetzt, der Welt zu berichten, zu welchen Gräueltaten Menschen fähig sind, was er und seine Familie im Holocaust erleben und erleiden mussten.

Zu Beginn der Veranstaltung wurde Dr. Weintraub von Stadtrat Herbert See, der den erkrankten Bürgermeister an diesem Abend vertrat, sowie von Herrn Christian Lamping, Ortsvorsteher von Ober-Rosbach, der diesen Abend gemeinsam mit der Kulturabteilung organisiert hatte, ganz herzlich begrüßt. In seiner Begrüßungsrede erklärte der Stadtrat: „Sie, Herr Dr. Weintraub, haben Ihren Vortrag unter das Motto „Ich bin ein Sieger“ gestellt. Ich wünsche mir, dass Menschlichkeit, Toleranz und der europäische Gedanke siegen werden. Nur in einem gemeinsamen Europa werden wir die augenblickliche Krise und den Nationalismus überwinden können. Machen wir uns alle gemeinsam stark dafür!“

Leon Weintraub wurde 1926 in Lodz geboren und musste viele Jahre unter menschenunwürdigen Verhältnissen im Ghetto Litzmannstadt sowie in mehreren Konzentrationslagern leben und Zwangsarbeit leisten. Im August 1944 wurde er mit seiner Familie nach Auschwitz-Birkenau deportiert.
Ganz sachlich erzählte Dr. Weintraub am Mittwochabend ohne Manuskript von seinen damaligen Erlebnissen und beschrieb Dinge, die wir uns in der heutigen Zeit nicht einmal vorzustellen vermögen. So manche Träne rollte, als er beschrieb, wie er den Einmarsch der deutschen Truppen in seiner Heimatstadt erlebte, wie die Selektion der Lagerinsassen in Auschwitz-Birkenau von statten ging oder auch was wirklicher Hunger für ihn bedeutet: „Ihr denkt vielleicht, ihr habt Hunger, wenn ihr mal nach einem langen Tag ohne Zeit für eine Mittagspause nach Hause kommt. Wir konnten uns fünf Jahre und acht Monate nicht satt essen. Der Hunger war allgegenwärtig. Für acht Leute gab es einen Laib Brot, Suppe und Kohlrüben. Wir wurden wie Vieh behandelt. Es war oft kaum zu ertragen.“

Zum Ende seines Vortrags erklärt er, dass er sich für das Leben entschieden hat und deshalb Arzt und Geburtshelfer geworden ist: “Wenn Sie einen Kaiserschnitt machen und ich habe sehr viele Kaiserschnitte gemacht, dann sehen Sie, dass unter der Haut alle Menschen gleich sind. Wir alle werden als Menschen geboren und ich hoffe, dass ihr Menschen bleibt.“

Seine Botschaft ist klar: „Die Erinnerung an das Geschehene lebendig zu halten, ist eine Art Gewähr dafür, dass so etwas nie wieder vorkommt. Das Schlimmste ist das Vergessen.“

Das Video zu diesem Abend kann auf dem Youtube-Kanal der Stadt Rosbach v.d.H. eingesehen werden.

https://youtu.be/K434s6l8ILU